Joseph Wirth
Joseph Wirth (* 6. September 1879 in Freiburg im Breisgau; † 3. Januar 1956 ebenda) trat 1909 Zentrumspartei bei, für die er ab 1913 in die Badische Ständeversammlung saß. 1914 wurde er Mitglied des Reichstags. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich Wirth als Kriegsfreiwilliger, wurde aber für dienstuntauglich erklärt; daraufhin meldete er sich zum Roten Kreuz, für das er bis 1918 als Krankenpfleger an der Westfront tätig war.
Joseph Wirth begrüßte die Novemberrevolution 1918, obwohl er sich noch ein Jahr zuvor mit der Burgfriedenspolitik des Deutschen Reichs identifiziert hatte. 1918 wurde Joseph Wirth badischer Finanzminister und er war auch Teil der verfassungsgebenden Nationalversammlung 1919. Nach dem Rücktritt Matthias Erzbergers (Zentrum) berief Reichskanzler Hermann Müller (SPD) den Freiburger als dessen Nachfolger als Reichsfinanzminister. Im Kabinett von Konstantin Fehrenbach (Zentrum) arbeitete sich Joseph Wirth in die Materie der Reparationszahlungen ein. Nach dem Rücktritt der Regierung infolge des Londoner Ultimatums, stieg Joseph Wirth im Mai 1921 zum Reichskanzler auf.
Seine Regierung stützte sich auf die sogenannte Weimarer Koalition aus den Parteien der Mitte: SPD, Zentrum und DDP. Das Kabinett der Reichsregierung unter Joseph Wirth entschloss sich bald zur Annahme des Londoner Ultimatums, um an der Erfüllung der [Reparationen] deren praktische Unerfüllbarkeit zu demonstrieren. Doch kurze Zeit später trat die Regierung zurück, da der Völkerbund nach der Volksabstimmung in Schlesien, bei der über 60% der Bevölkerung für ein Verbleib im Reich gestimmt hatten, beschlossen hatte, Schlesien zwischen Deutschland un Polen aufzuteilen.
Reichpräsident Friedrich Ebert (SPD) beauftragte aber erneut Joseph Wirth mit der Bildung einer Regierung. Im neuen Kabinett unter Joseph Wirth spielte der neue Reichsaußenminister Walter Rathenau (DDP). Gemeinsam mit ihm führten die beiden Deutschland wieder in die internationale Gemeinschaft. Nach der Unterzeichnung des Vertrags von Rapallo wurde Walter Rathenau am 24. Juni 1922 jedoch aus politischen Gründen ermordet. Als im November 1922 der Versuch, alle demokratischen Kräfte von SPD bis DVP in einer Koalition zusammenzubringen, scheiterte, trat Reichskanzler Joseph Wirth zurück.
In den folgenden Jahren setzte sich der Altkanzler für das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold ein und blieb weiterhin Abgeordneter im Reichstag. Joseph Wirth trat aus seiner Fraktion aus, al sim August 1925 die Zentrumspartei in der Regierung Hans Luther (parteilos) erstmals eine Koalition mit der DNVP einging. Reichskanzler Hermann Müller reaktivierte ihn als Reichsministers für die besetzten Gebiete in der ersten Großen Koalition nach der Reichstagswahl 1928. In der Regierung Heinrich Brüning (Zentrum) bekleidete Joseph Wirth 1930/31 das Amt des Reichsinnenministers. Dort fungierte er als Vermittler zwischen dem Reichskanzler und der tolerierenden, aber nicht koalierenden SPD, bei der sich der Altkanzler großer Beliebtheit erfreute. 1931 schied Joseph Wirth auf persönliches Betreiben des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (parteilos), dem der Badener als zu links gerichtet galt, aus dem Kabinett aus.
1933 emigrierte Joseph Wirth in die Schweiz. Als er 1949 nach Deutschland zurückkehrte setzte er sich für die Einheit Deutschlands ein, die Politik des Bundeskanzlers Konrad Adenauers (Zentrum/CDU) und die Westintegration lehnte er ab. Joseph Wirth gründet die christlich-soziale Arbeiterpartei Union der Mitte, galt der CDU-geführten Bundesregierung als linker Außenseiter, auch weil er längere Zeit in Moskau weilte, um dort Verhandlungen mit den Sowjets zu führen. Die Bundesrepublik verweigerte ihm aufgrund seiner Zusammenarbeit mit Kommunisten und Gesprächen mit Vertretern der DDR die Zahlung einer Rente, wie sie etwa Heinrich Brüning und Hans Luther erhielten.