Walther Rathenau
Walther Rathenau (* 29. September 1867 in Berlin; † 24. Juni 1922 in Berlin) war ein deutscher Industrieller, Politiker und Intellektueller, der vor allem als Außenminister der Weimarer Republik bekannt wurde. Er spielte eine zentrale Rolle in der wirtschaftlichen Organisation Deutschlands während des Ersten Weltkriegs und prägte die Außenpolitik der frühen Weimarer Republik maßgeblich mit. Sein politisches Wirken machte ihn zur Zielscheibe nationalistischer und antisemitischer Kräfte, die ihn schließlich ermordeten.
Wirtschaftliche Organisation im Ersten Weltkrieg
Als Sohn des Gründers der AEG, Emil Rathenau, war Walther Rathenau früh in die Wirtschaft eingebunden. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er 1914 von der deutschen Regierung beauftragt, die Rohstoffversorgung des Reiches zu organisieren. In dieser Funktion richtete er die „Kriegsrohstoffabteilung“ im preußischen Kriegsministerium ein, die die Rüstungsproduktion sicherstellte. Diese Maßnahmen trugen dazu bei, dass Deutschland den Krieg trotz Rohstoffmangels über Jahre hinweg fortsetzen konnte.
1916 setzte er sich für die Verschleppung von belgischen Zivilisten zum Zweck der Zwangsarbeit in Deutschland aus und schrieb dem Erich Ludendorff in der Obersten Heeresleitung einen Brief dahingehend. Er sprach sich auch für die Bombardierung Londons mit Zeppelinen aus. Angesichts der bevorstehenden militärischen Niederlage ruft er 1918 gar zur allgemeinen Volksbewaffnung auf und will den Krieg verlängern, um in eine bessere Verhandlungsposition zu kommen.
Politisches Wirken in der Weimarer Republik
Nach dem Krieg engagierte sich Rathenau parteipolitisch. Er wirkte schon im November 1918 am Stinnes-Legien-Abkommen mit. Und er war ein Mitbegründer der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Trotz seiner wirtschaftlichen Kompetenz blieb er zunächst ohne hohes Regierungsamt, da seine jüdische Herkunft und seine wirtschaftspolitischen Ansichten ihn bei konservativen und nationalistischen Kreisen unbeliebt machten.
1921 wurde er unter Reichskanzler Joseph Wirth (Zentrum) zum Reichsminister für Wiederaufbau ernannt und übernahm 1922 das Amt des Außenministers. Rathenau war ein Befürworter der Erfüllungspolitik, die darauf abzielte, die Bestimmungen des Versailler Vertrags schrittweise zu erfüllen, um langfristig eine Revision der harten Bedingungen zu erreichen. Dies und seine jüdische Herkunft brachte ihm die Feindschaft nationalistischer Kreise ein, die ihn als Verräter betrachteten.
In seiner Funktion als Außenminister verhandelte er im April 1922 den Vertrag von Rapallo mit der Sowjetunion, der die diplomatischen Beziehungen normalisierte und wirtschaftliche Kooperation ermöglichte. Der Vertrag wurde insbesondere von deutschnationalen Politikern begrüßt.
Ermordung und Vermächtnis
Nur wenige Tage später, am 24. Juni 1922, wurde Walther Rathenau von Mitgliedern der rechtsextremen Organisation Consul in Berlin ermordet, die zuvor schon Attentate auf Matthias Erzberger (Zentrum) und Philipp Scheidemann (SPD) verübt hatten. Der Mord löste eine Welle der Empörung aus und führte zu Massendemonstrationen für die Weimarer Republik. Reichpräsident Friedrich Ebert (SPD) erließ noch am Tag der Ermordung Rathenaus eine Notverordnung, die später in das Republikschutzgesetz mündete, das zum zeitweisen Verbot der NSDAP führte. Der „Rathenau-Mord“ zeigte die Gefährlichkeit nationalistischer und antisemitischer Strömungen in Deutschland und war ein frühes Zeichen für die Instabilität der jungen Demokratie.